Erfolg durch Vielfalt: „Diversity ist kein Frauen-Thema“
Vielfältige Teams sind erfolgreicher. Die EOS Mitarbeiterinnen Sarah Akbari und Roxana Herfort haben zusammen mit Kolleg*innen zwei frische Diversity-Initiativen gestartet. Gemeinsam sprechen sie mit Diversity-Expertin Tijen Onaran darüber, wie man Vielfalt und Gleichberechtigung in Unternehmen schafft.
W:isible und Queer@EOS heißen die beiden Netzwerke, die bei EOS künftig für mehr Chancengleichheit unter den Mitarbeiter*innen und einen offenen, mutigen Umgang mit Queer-Themen aller Art sorgen sollen. Die beiden Mitgründerinnen Sarah Akbari, Junior Marketing Consultant, und Roxana Herfort, Consultant Corporate Communications & Marketing, haben die Unternehmerin und Speakerin Tijen Onaran eingeladen, um mit ihr zum Thema Diversität in Unternehmen zu sprechen.
TIJEN ONARAN: Wir erleben eine Zeitenwende: Letztes Jahr gab’s Applaus, wenn sich Unternehmen zu mehr Diversität und Inklusion „committed“ haben. Dieses Jahr wird es auffallen, wenn sie es nicht tun. Wir leben in politischen Zeiten. Unternehmen tragen Verantwortung. Diversität muss glaubhafter Teil des Kulturwandels sein. New Work bedeutet auch, sich zu fragen, wer Entscheidungen mittrifft, wer die Stimme erheben und sich dabei auch wohlfühlen kann. Das macht eine diverse Kultur aus.
TIJEN ONARAN:Erstens: Diversity ist ein Treiber für Innovation und Digitalisierung. Um eine diverse Zielgruppe zu erreichen, müssen Produkte von möglichst diversen Gruppierungen entwickelt werden. Zweitens: Sichtbarkeit – „If you can see it, you can be it!“ Junge Mädchen wollen nur CEO werden, wenn sie Vorbilder haben. Drittens geht es um die faire Verteilung von Einfluss, und das fordern Nachwuchstalente heute auch.
Dass in unserer Gesellschaft beim Thema Chancengleichheit etwas schiefläuft, wusste Tijen Onaran spätestens 2006: Damals kandidierte sie als FDP-Kandidatin für den baden-württembergischen Landtag und wurde wiederholt als „Praktikantin mit Migrationshintergrund“ bezeichnet.
„Die Hälfte der Bevölkerung ist nicht da, wo Entscheidungen getroffen werden“, sagt sie. Um das zu ändern, berät die gebürtige Karlsruherin (36) heute Unternehmen in Diversitäts- und Inklusionsfragen. Als Gründerin des Netzwerks Global Digital Women zählt sie zu den einflussreichsten Frauen in der deutschen Wirtschaft.
TIJEN: Messbarkeit ist extrem wichtig. Sonst werden Netzwerke zu Charity-Projekten, die Mitarbeitende zusätzlich zu ihren Jobs quasi ehrenamtlich auf die Beine stellen. Daher braucht es konkrete Ziele: Bayer etwa will bis 2030 Geschlechterparität erreichen. Diese Ziele sollten auch kontrolliert werden: Warum habe ich ein Ziel vielleicht nicht erreicht? Welche Folgen hat das? Welche Konsequenzen ziehe ich daraus? Das hat für Unternehmen einen großen Vorteil: Wer sich selbst Ziele setzt, muss sich keine Gedanken über staatliche Quotenregelungen machen, zum Beispiel beim Thema Geschlechterparität. Wenn wir über Chancengleichheit von Männern und Frauen reden, sollte die Verantwortung nicht den Frauen zugeschoben werden, nach dem Motto: „Ist ja toll, dass die sich so engagieren!“ Diversity ist kein Frauen-Thema, sondern ein gesellschaftliches und zutiefst wirtschaftliches Thema.
TIJEN: Natürlich braucht eine Unternehmensgruppe erst mal eine große Vision und gemeinsame Werte. Konkret bei Diversity können übergeordnete Strategien aber fehl am Platz sein. In Deutschland etwa sind Rollenklischees gesellschaftlich noch stark verankert. Das hat Folgen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Daher würde ich auch ländertypisch vorgehen und fragen, was die dortigen Mitarbeitenden jeweils brauchen, um sich für Diversity zu begeistern.
TIJEN: Einzelne Gruppen sollten ihre Themen basisdemokratisch vorantreiben. Zugleich muss Diversity aber auch Chef*innen-Sache sein. Es braucht Kapazitäten und Budget. Idealerweise wird wie beim Versicherer Talanx eine eigene Stelle für eine*n Diversity-Manager*in geschaffen, die direkt an den Vorstand angedockt ist.
„Diversität ist kein Projekt, das bei Erreichen bestimmter Zahlen beendet ist. Es ist eine Lebensbaustelle.“
TIJEN: Diversity-Ziele können in Boni-Regelungen integriert werden, so wie es Accenture beispielsweise macht. Da werden Führungskräfte daran gemessen, ob sie Ziele im „Diversity & Inclusion“-Bereich erreicht haben. Komischerweise verändert das ganz viel! Das mag traurig erscheinen, aber wir müssen jede Karte ziehen, um unsere Ziele zu erreichen. Viele Führungskräfte realisieren schon, dass Vielfalt ihre Abteilungen wettbewerbsfähiger macht. Die übrigen fragen sich irgendwann, warum niemand in ihre Teams will. Fehlt eine inklusive Entscheidungskultur? Diese Fragen lassen sich gut durch Umfragen klären.
TIJEN: Das Wichtigste ist, Diversität greifbar zu machen: Ein philosophischer Vortrag über unbewusste Vorurteile erreicht die meisten nicht. Stattdessen braucht es konkrete Geschichten, wie ich als Person von einem vielfältigen Umfeld profitiere. Am besten holt ihr Speaker*innen ins Unternehmen, die diesen Aha-Moment schon erlebt haben und vielleicht sogar in ähnlicher Funktion arbeiten. Die Kraft eines Netzwerks ist, auch Ängste offen anzusprechen: Viele Männer denken bei Worten wie „Diversity“ oder „Quote“, sie würden zugunsten junger, unerfahrener Frauen aussortiert. Aber so funktioniert das nicht. Wer sich heute Diversity-Ziele setzt, der sorgt für eine inklusivere Kultur morgen. Der größte Killer ist Sprachlosigkeit.
SARAH: Weniger Meta-Ebene, mehr persönliche Erfahrungsberichte.
TIJEN: Genau, es braucht Speaker*innen, die ganz konkret von ihren unbewussten Vorurteilen erzählen. Dann heißt es schnell: „Ach, dem Christian ging es genauso – da fühle ich mich angesprochen!“ Je greifbarer das Thema, desto begreifbarer wird es. Auch Fragen wie „Was ist das, was du dir für deine Töchter, Söhne oder Schwestern wünschst?“ können Verbundenheit herstellen. Wenn alle die gleiche Meinung haben, mag das vielleicht bequem sein, aber es lässt dich nicht wachsen. Diversität dagegen kann ein starker Treiber für die eigene Kreativität sein.
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TIJEN: Alles muss stärker organisiert werden, weil die Spontaneität der Kaffeeküche wegfällt. Es braucht regelmäßige Videokonferenzen und Rituale im Netzwerk. Alle Menschen müssen sich sehen. Denn zu erleben, wie Teilnehmer*innen auf Gesagtes reagieren, ist ein wichtiger Teil von Diversität. Auch das Gendern ist ein extrem wichtiger Aspekt. Denn Studien zeigen, dass sich gerade junge Mädchen viel eher für den Beruf der „Astronautin“ interessieren, als wenn da „Astronaut“ steht. Sprache schafft Realität.
TIJEN: Diversität ist kein Projekt, das bei Erreichen bestimmter Zahlen beendet ist. Es ist eine Lebensbaustelle: Mal werden noch Wände verputzt, mal spürst du schon ganz viel Leben im Haus. Ein Unternehmen setzt ja auch keinen Haken hinter Innovation, wenn es mal innovativ war. Ähnlich wie Innovationsdruck gibt es positiven Diversitätsdruck. Wir brauchen kontinuierliche Einflussnahme. Viel hilft viel. Daher sind Initiativen wie W:isible und Queer@EOS so wichtig. So ermöglichen wir der nächsten Generation, dass sie nicht mehr so viel über Quoten oder Gender sprechen muss.
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Sabrina Ebeling
Corporate Communications & Marketing
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