Mobile Payment: Warum der Euro nicht mobil ist.

Die Zukunft des mobilen Bezahlens entsteht in Asien und den USA: Bisher hat sich kein europäischer Anbieter etablieren können. Kreditkartenunternehmen und Technologiekonzerne wie Apple und Google machen das Geschäft. Einige hiesige Start-ups stehen in den Startlöchern.

  • Das Bezahlen per Karte oder Smartphone läuft dem Bargeld den Rang ab – auch in der Bargeld-Hochburg Deutschland.
  • Mobile-Payment-Anbieter aus Asien und den USA beherrschen den Markt und setzen auf die Zahlung per Kreditkarte.
  • Europäische Anbieter setzen bislang meist auf nationale Alleingänge und konnten sich nicht gegen die internationale Konkurrenz durchsetzen.
Ist Bargeld weiter König? Mann hält Euroscheine in beiden Händen
Reisende kennen Deutschland als Bargeld-Hochburg: Wer hier versucht, so selbstverständlich mit Karte zu bezahlen wie in Schweden oder Slowenien, der wird unangenehm überrascht. Umso überraschender ist ein neuer Anblick an den Kassen: Kundin oder Kunde greift beim Bezahlen nicht nach dem Portemonnaie, sondern zum Smartphone. Seit 2018 bieten die US-Technologieriesen Apple und Google ihre Bezahldienste in Deutschland an und mischen den Markt für mobile Zahlungen auf. Europäische Anbieter sind besorgt – die Zukunft des Bezahlens wird anderswo erfunden, in Asien etwa durch Alipay und WeChat: Wer dort mit Kreditkarte zahlen will, wird oft nur noch müde belächelt – online und offline bezahlen Kunden über Messenger-Apps.
Für viel Presse-Echo sorgte der Europa-Start von Apple Pay und Google Pay, aber auch der koreanische Smartphone-Riese Samsung versucht, mit seinem Samsung Pay Fuß zu fassen; in Kontinentaleuropa bisher beschränkt auf Russland, Schweden, Frankreich, Italien und die Schweiz. Wesentlich bescheidener ist bisher der Auftritt der Schweizer Payment-App Bluecode, sie wurde zuerst in Österreich eingeführt und ist seit Kurzem auch in Deutschland verfügbar. Ihre Konkurrenten hier: die Apps der Sparkassen und des Bonuskarten-Anbieters Payback. „Neben den etablierten Marktteilnehmern versuchen Technologieanbieter und Fintech-Start-ups durch innovative Produkte und Dienstleistungen Marktanteile im Payment-Bereich zu gewinnen“, sagt Christian Meiske von der Unternehmensberatung ZEB. Der Wettbewerbsdruck ist enorm, das Marktpotenzial auch: In Deutschland etwa sind zwar bereits 144 Millionen Karten mit Zahlungsfunktion im Umlauf, sie setzen sich aber nur sehr langsam im Alltag durch: 2018 war das erste Jahr, in dem Kunden im stationären Einzelhandel mehr mit Karte als mit Bargeld bezahlten.
Mit jedem bargeldlosen Einkauf verdient der Bezahldienstleister nicht nur an den Transaktionsgebühren. Wertvoll ist auch und gerade der Kontakt zu den Konsumenten während der gesamten Customer Journey. „Mobile Payment alleine löst kein Kundenproblem“, sagt Michael Eichhorn, Director Digital PoS und Pay bei Payback, dem größten Bonusprogramm des deutschen Einzelhandels. „Wir glauben an ein Servicebündel, bei uns ist das die Verbindung von Punktesammeln, Couponaktivierung und mobilem Bezahlen in einem.“
Mobile Payment: Christian Pirkner ist Geschäftsführer von Blue Code.
Wer den Zahlungsverkehr beherrscht, beherrscht den Kunden.
Christian Pirkner, CEO Blue Code

Google Pay & Co setzen auf Kreditkarten.

Kundinnen und Kunden installieren dazu die Payback-App und hinterlegen ihre Bankverbindung. Beim Bezahlen generiert die App nach PIN-Eingabe einen QR-Code, der an der Kasse gescannt wird, das löst eine Direktüberweisung über das europäische SEPA-Zahlungssystem aus. Auch Bluecode nutzt SEPA (samt QR-Code); die App der deutschen Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken ersetzt am Kassenterminal die Girocard.
Alle anderen Anbieter mobiler Bezahldienste wickeln die Zahlung per Kreditkarte ab; damit beruhen sie auf den US-Zahlungssystemen von Mastercard, Visa oder Amex. Auf Android sind das zum Beispiel die Deutsche Bank sowie alle Banken, die ihren Kunden Google Pay anbieten, z. B. die Commerzbank. Auf dem iPhone müssen alle Bezahl-Apps das hauseigene System Apple Pay nutzen, das auf Kreditkarten beruht. 
Mobile Payment: Christian Pirkner ist Geschäftsführer von Blue Code.
„Europäisch sind wir nur, solange wir bar bezahlen“, sagt Blue Code-Chef Christian Pirk¬ner. „Sobald wir unbar bezahlen wollen, ist das vorbei.“ Der Aufbau eigener europäischer Systeme sei an Kleinstaaterei gescheitert. „Die deutsche Girocard ist das beste Beispiel – außerhalb Deutschlands und online funktioniert sie nicht.“ Auch Apple Pay arbeitet bisher nicht mit Girocard zusammen. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) spricht zwar von „sehr positiven Gesprächen mit Apple“, doch bisher können Kundinnen und Kunden Apple Pay nur mit Karten von Mastercard, Visa, Amex und Maestro nutzen.

Was für die Sparkassen ein Problem darstellt: Als das größte verbleibende europäische Kartensystem ist Girocard für sie eine Cashcow. Wenn Apple bei Girocard-Zahlungen genauso viel Gebühren nimmt wie bei Kreditkartenzahlungen, würde der Konzern nach Einschätzung von Branchenkennern bis zu drei Viertel der Entgelte abgreifen.

Europäische Mobile-Payment-Lösung statt nationaler Alleingänge.

Die Regeln, nach denen ein Großteil der mobilen Alltagszahlungen in Europa von A nach B fließt, werden nicht in Europa geschrieben, was Europäische Kommission und Deutsche Bundesbank öffentlich bemängeln – auch angesichts der politischen Entwicklungen in den USA. Bluecode und die Bezahldienste Momo Pocket aus Spanien, Pagaqui aus Portugal, Vipps aus Norwegen und ePassi sowie Pivo aus Finnland verkündeten jüngst, eine europäische Lösung für mobile Zahlungen auf Basis von SEPA und Alipays QR-Technologie entwickeln zu wollen. 

„Das Rennen ist noch nicht entschieden“, sagt Meiske. „Aber für neue Player dürfte es schwierig werden: Sie müssen in die Akquise von Händlern und Endkunden investieren sowie klare Mehrwerte aus Endkundensicht bieten.“ Blue Code-Chef Pirkner ist überzeugt, dass nur ein europäisches System – in dem nationale Anbieter zusammenarbeiten – die US-Dominanz verhindern kann. Er warnt: „Wer den Zahlungsverkehr beherrscht, beherrscht den Kunden.“
Photo credits: Apple Pay, Christian Pirkner / Blue Code International AG